Die klinische Neurologie und mit ihr die neurologische Rehabilitation hat durch den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt und das daraus resultierende veränderte Verständnis von pathologischen Prozessen und deren therapeutische Beeinflussbarkeit in den letzten Jahrzehnten einen dramatischen Wandel erlebt.
Die pessimistische Einschätzung Ramon y Cajals, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts die als gesichert geltende Annahme formulierte, neuronale Strukturen seien unveränderbar festgelegt, weshalb eine Regeneration innerhalb des ZNS nicht möglich sei, gilt längst als obsolet. Die Publikationen von Nudo und anderer Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass ZNS-Strukturen nach Läsionen in der Lage sind, sich gewandelten Bedingungen anzupassen. Unter dem Begriff "neuronale Plastizität" werden ZNS-Prozesse zusammengefasst, deren Dynamik sich mittels moderner Methoden der Hirnfunktionsdiagnostik wie funktioneller Bildgebung, transkranieller Magnetstimulation, EEG und Dipolanalyse sowie mit anderen Verfahren darstellen lässt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse ist die neurologische Rehabilitation heute eine moderne klinische Therapiedisziplin, die unter Anwendung der Kriterien der Evidenzbasierten Medizin syndromspezifische validierte und standardisierte Therapieverfahren für ein breites Spektrum neurologischer Erkrankungen zur Verfügung stellt.
Den Kriterien des Gesundheitsmodells der WHO und den Inhalten der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) folgend arbeiten wir mit einem multiprofessionellen, interdisziplinär eng verzahnten Team an der Funktionswiederherstellung, Rezidivprophylaxe und sozialen und beruflichen Reintegration um den Patienten unseres Hauses die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Im Bereich der Motorischen Rehabilitation kommen dabei neben traditionellen physiotherapeutischen Behandlungen moderne Konzepte wie das aufgabenspezifische repetitive Training, auch unter Einbeziehung von Methoden der gerätegestützten Rehabilitation (z.B. Gangtrainer, Laufband, apparativ unterstützte Armrehabilitation, u.a.) oder die sogenannte "Constraint induced movement therapy" ("Forced use", Taub'sches Training) neben weiteren Konzepten wie beispielsweise Musiktherapie zum Einsatz.
Ergänzt werden diese therapeutischen Ansätze durch aktuelle Erkenntnisse im Bereich der Pharmakotherapie zur Optimierung des Behandlungsergebnisses. Exemplarisch sei die medikamentöse Unterstützung der motorischen Rehabilitation durch Förderung der dopaminergen und noradrenergen Neurotransmission genannt. Zur Beherrschung von Komplikationen wie eine die motorische Rehabilitation in relevantem Umfang limitierende Spastizität ist eine Redressions-Visite mit erfahrenen Anwendern der Injektionsbehandlung der fokalen Spastizität mittels Botulinum-Toxin an unserer Klinik etabliert. Auch Indikationen wie Dysphagie mit Relaxationsstörung des oberen Oesophagussphinkters oder Sialorrhoe, Miktionsstörungen bei Detrusor-Sphincter-Dyssynergie und andere Syndrome können erfolgreich mittels Injektionen von Botulinum-Toxin gebessert werden. Auch im Bereich der Sprachrehabilitation (Piracetam) und der Rehabilitation neuropsychologischer Defizite (zentral cholinerge Substanzen, NMDA-Rezeptor-Partialagonisten, noradrenerg wirkende Stoffe u.a.) werden aktuelle pharmakotherapeutische Konzepte umgesetzt.
Daneben kommt der Rezidivprophylaxe mit günstiger Beeinflussung der Risikofaktoren eine große Bedeutung zu. Dies beinhaltet, neben der Aufklärung und Schulung von Patienten und Angehörigen hinsichtlich krankheitsgerechten Verhaltens, die Umsetzung des zeitgemäßen Risikofaktorenkonzeptes. Hinsichtlich der zahlenmäßig am stärksten vertretenen Krankheitsgruppe, dem ischämischen Hirninfarkt (geschätzte Inzidenz in Deutschland 150.000) bedeutet dies neben dem indikationsgerechten Einsatz von Thrombozytenfunktionshemmern und oraler Antikoagulation, die Behandlung von Risikofaktoren wie arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Nikotinabusus, aber auch weniger häufiger Ursachen cerebraler Ischämien durch edukative und medikamentöse Herangehensweisen nach modernem Verständnis.
Die Qualität der Behandlung unserer Patienten, von der Frührehabilitation teils noch komatöser und beatmeter Patienten bis hin zur sozialen und beruflichen Reintegration ergibt sich aus der multiprofessionellen Teamarbeit mit enger Kommunikation und ganzheitlichem Behandlungsverständnis im Sinne der ICF mit dem Ziel den Patienten nicht nur zu versorgen, sondern ihm seine Selbständigkeit zurückzugeben. Dabei sind sämtliche Bereiche von Ärzten, Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, physikalischer Therapie, Ernährungsberatung, Sozialdienst, Hilfsmittelversorung und der Kostenträger während des gesamten Rehabilitationsverlaufs neben dem Patienten und seinen Angehörigen bei der Formulierung der Therapieziele und der Umsetzung der Maßnahmen zur Erreichung derselben in engem Dialog tätig.